Vom Glasboden bis zur Deckengestaltung

18.03.2022

Restauratorische Maßnahmen anlässlich der Sanierung des Lindenau-Museums Altenburg

Das Lindenau-Museum Altenburg steht vor den größten baulichen Veränderungen seit seiner Errichtung durch Julius Robert Enger im 19. Jahrhundert. Umfangreiche restauratorische Maßnahmen im Gebäudeinneren sollen das bauzeitliche Erscheinungsbild in Teilen wieder erlebbar machen. Diese reichen von kleineren konservatorischen Schritten bis hin zur Wiederherstellung von Raumdekorationen.

Ein restauratorischer Rundgang durch das Museum

1) Wandgestaltung in den Ausstellungsräumen

Zusammen mit dem Sonderausstellungsraum bietet der Saal für die Abgusssammlung des Lindenau-Museums den meisten Platz für Exponate. In ihm befand sich bis zum Auszug der Sammlungen auch der Gipsabguss der Paradiestür am Baptisterium San Giovanni in Florenz von Lorenzo Ghiberti. Da die „Ghiberti-Tür“ niemals von der Wand abgenommen wurde, blieb auch die dahinterliegende Wand verborgen. Erst nach der ersten Demontage des Gipsabgusses konnte einer der wertvollsten Befunde überhaupt gemacht werden: Die fast unveränderte Fassung des Skulpturensaals. Mit diesem Befund tritt der farbige Gestaltungsansatz, den der Architekt des Hauses Julius Robert Enger (1820-1890) für die Abgusssammlung wählte, gut nachvollziehbar und erlebbar hervor. Enger spielte hier mit einer klassisch römischpompejanischen Formensprache: Im Sockelbereich wird ein grüner Naturstein imitiert, die obere Wandfläche ist in pompejanischem Rot gehalten und den oberen Abschluss bildet ein Stuckprofil mit illusionistisch plastisch wirkender Eierstab-, Wellenband- und Blattwerkornamentik.

2) Deckengestaltung in der Abgusssammlung

Auch die Deckengestaltung ist teilweise an die römisch-pompejanische Dekorationsmalerei angelehnt und wartet mit einer facettenreichen Friesornamentik wie Mäanderbändern, Eierstab, Akanthusmotiven und in den Seitenschiffen zusätzlich mit Fabeltieren wie Greifen, Seepferden und Delphinen auf. Im gegenüberliegenden Raum in der Abgusssammlung greift die Deckengestaltung hingegen griechische Ornamentik auf und orientiert sich damit an einer Vorlage Gottfried Sempers (1803-1879). Ziel der restauratorischen Maßnahmen werden insbesondere die Instandsetzung von Rissen und Fehlstellen sowie die Konservierung der originalen Malerei und die Rekonstruktion fehlender Ornamentik sein.

3) Treppenhausgestaltung Ernst Müller-Gräfes

Unweit der Gipsabgusssammlung erstreckt sich das Treppenhaus des Museumsgebäudes und führt in das 2. Obergeschoss. An dessen Wänden befindet sich das expressionistische Wandgemälde des Altenburger Künstlers Ernst Müller-Gräfe (1879-1954). Obwohl die Malerei einer jüngeren Gestaltungsphase zugeordnet werden muss, ist sie doch für die Restaurierung des Hauses von besonderer Bedeutung, da sie auch einen Sonderfall bei der inneren Gestaltung des Hauses darstellt. In ihr lassen sich die gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen der sehr bewegten Zeit zwischen 1909 und 1922 und anschließend bis in die 1930er Jahre erfahren.

Müller-Gräfe setzte sein Auftragswerk bis 1914 in einer impressionistischen Malweise in neun Bildszenen um und begründet schon damit einen neuen Aspekt im Museumskontext. Nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg verwarf er diese Version radikal. Er wandte sich nicht nur einer expressionistischen Malweise zu, sondern reflektierte inhaltlich auch seine Erfahrungen des Krieges. So nahm er das Thema Flucht und Vertreibung als neues Motiv in seinen Zyklus auf. Seit den 1930er Jahren als „Entartete Kunst“ diffamiert, überdeckte man die Malerei mit Farbe und Tapete und entzog sie so der Sichtbarkeit. Mit der Freilegung der Wandbilder im Treppenhaus wird der bewusste Bruch mit der bis dahin wilhelminisch geprägten Museumsarchitektur deutlich. Hier liegt ein spannendes und wichtiges Gegengewicht zur Architektur Engers. Das Wandbild ist ein Zeitzeuge für die wechselvolle Geschichte des Hauses. Die Integration beziehungsweise Präsentation des ausdrucksstarken Bildnisses wird einen gestalterischen Höhepunkt im „neuen“ Lindenau-Museum bilden.

4) Der Glasboden im oberen Oktogon

An den Treppenaufgang schließt sich das 2. Obergeschoss an, dessen zentralen Punkt, wie im darunterliegenden Geschoss auch, ein Oktogon bildet. In dessen Mitte – der zentralen Kreuzung zwischen den repräsentativen Ausstellungsräumen – befindet sich ein Glasboden, dessen Untersuchung ebenfalls ein erfreuliches Ergebnis brachte. In Kooperation mit Experten vom Institut für Mineralogie der Technischen Universität Bergakademie Freiberg konnte durch eine vergleichende Analyse belegt werden, dass es sich bei dem Glasfußboden um ein bauzeitliches Element handelt. Der Erhalt dieses Glasfußbodens, der durch seine Lichtdurchlässigkeit den Kreuzungspunkt der oberen Räume akzentuiert, stellt damit ein besonderes Ziel der restauratorischen Maßnahmen dar.

5) Diagonal verlegtes Tafelparkett

Das 2. Obergeschoss war bereits nach der Eröffnung des Museums für Gemälde sowie eine Ornithologische und eine Mineralien-Sammlung vorgesehen. Diese Objekte wurden entweder in Vitrinen oder an der Wand präsentiert, weshalb hier keine Dielen wie in den Räumen der Abgusssammlung eingesetzt wurden. Stattdessen wurde 1876 ein diagonal verlegtes Tafelparkett auf einer Rohdecke aus Schalbrettern verlegt. Eingefasst wird das Parkett bis heute durch einen die Wandflächen begleitenden Rahmen aus Eichenholz. In den letzten Jahren war das Parkett mit einer Lackschicht versiegelt, wodurch die charakteristische Schachbrettoptik verloren ging. Diese Schicht soll entfernt werden, um sowohl die bauzeitliche Ästhetik als auch die originale Oberflächenqualität des gewachsten Eichenholzfußbodens wiederherzustellen und damit zudem die Lebensdauer des Fußbodens zu erhöhen.

6) Historische Fenster vs. Klimaanforderungen

Auch bei den Fenstern ging Architekt Julius Robert Enger neue Wege, indem er das klassische Holzfenster mit den zu dieser Zeit aufkommenden Stahlfenstern, die für die neuen Industriegebäude gegossen wurden, verband. So entwarf Enger eine Hybridkonstruktion, bei der die Sprossen in den großen Flügeln aus Stahl gefertigt waren und zentral einen kleinen Fensterflügel integrierten. Die Verglasung erfolgte mit einfachen tisch-gezogenen, sehr dünnen Glasscheiben, die die charakteristischen Merkmale dieser Zeit wie eine Welligkeit, ungleiche Glasstärke, Schlieren und Luftblasen aufweisen. Um international bedeutende Sammlungsobjekte in den Ausstellungsräumen des 1. Obergeschosses präsentieren zu können, sind sehr enge klimatische Anforderungen durch die Leihgeber vorgegeben, die alleine mit den historischen Fenstern von 1876 nicht erfüllt werden Foto des Oktogons im 2. Obergeschoss mit dem Glasfußboden 2020, Foto: PUNCTUM/Bertram Kober 4 können. Aus diesem Grund wird eine neue zusätzliche Stahl-Glas-Konstruktion innen vor die historische Fensterebene als einflüglige Konstruktion eingebaut. Ziel ist es, das historische Fenster vollständig zu erhalten und zu restaurieren, um lediglich den Fenster-Mauerwerk-Anschluss derart umzugestalten, dass im Zwischenraum der beiden Fensterebenen kein Wärmestau entsteht.

Ausgangspunkt und Ausblick

Das Lindenau-Museum am Fuße des Altenburger Schlossberges wurde 1876 eröffnet. Dem gingen intensive Planungen des Altenburger Oberbauinspektors Julius Robert Enger (1820-1890) voraus. Er setzte sich intensiv mit dieser Aufgabe auseinander und griff dabei auf seine Erfahrungen im Rahmen der Planungen für die Sempergalerie in Dresden (1847 bis 1854) zurück. Auch die zahlreichen parallel entstandenen Musemsneubauten wirkten inspirierend auf Enger, der dadurch eine klare Vorstellung seiner eigenen Architekturidee und Formensprache für das zukünftige Lindenau-Museum entwickelte. Einen tragenden Gedanken und ein entscheidendes Ziel sah Enger darin, eine Sinneinheit zwischen den vorgesehenen Ausstellungsinhalten und der umgebenden Raumhülle zu schaffen.

Von diesem Engerschen Gestaltungsansatz löste man sich jedoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt, viele historische Dekorationen wurden zugunsten einer reinen Museumspräsentation überdeckt. Im Ergebnis erhielten die Räume zu diesem Zeitpunkt größtenteils einheitliche monochrome Weißfassungen.

Am Gebäude des Lindenau-Museums werden seit nunmehr über 30 Jahren Untersuchungen hinsichtlich seiner bauzeitlichen Gestalt durchgeführt, erste Fassungen wurden bereits in den 1990er-Jahren eingehend geprüft. Die letzte umfangreich angelegte Untersuchungskampagne zur ursprünglichen inneren Gestalt des Lindenau-Museums begann im Jahr 2016 und erstreckte sich über alle Räume. Neben der Auswertung von Archivmaterialien wurden auch vor Ort kleinere Flächen freigelegt, sodass eine Bewertung der historischen Fassungen vorgenommen werden konnte. Widersprüche zwischen dem archivalisch belegten Bestand und den Untersuchungen im Haus dienten als Ausgangspunkt für die vertiefende Betrachtung des Bestandes, die die restauratorische Fachplanung ab 2018 abdecken musste.

​​​​​​​In den letzten zwei Jahren wurden erneut eingehende baugeschichtliche Analysen zum Gebäudebestand angestellt. In einer ersten Arbeitsphase erfolgte unter Einbezug der Archivrecherche die Analyse des Gebäudebestandes, der sich eine zweite Arbeitsphase zur Erfassung des Zustandes anschloss. Dabei wurden Schäden, Fehlstellen und substanzielle Veränderungen registriert.

Oberstes Ziel all dieser Maßnahmen besteht darin, die Sammlungen mit der für sie errichteten Architektur wieder in ein Gespräch eintreten zu lassen. Das Gebäude selbst wird zum begehbaren Exponat, ohne den Ausstellungsobjekten Konkurrenz zu machen. Um den Entwurfsgedanken des Architekten nicht nur zu respektieren und wieder aufzunehmen, sondern auch den Bestand in seiner Geschichte fortzuschreiben, sind Anpassungen, Weiterentwicklungen und Umbauten nötig. Nur so kann das Haus wieder zu einem Ort für zeitgemäße und innovative Vermittlungs- und Präsentationsformen werden.

 

Foto: Lindenau-Museum Altenburg